
Der ZDF-Fernsehfilm „Auf dünnem Eis“ (ZDF / Polyphon) zeigt eine Begegnung der ungewöhnlichen Art. Welcher Mensch, der Wohnung, Beruf und Familie hat, kommt schon über mehrere Tage mit jemandem in Kontakt, der wohnungslos ist und der auf der Straße lebt?! Der realistisch ohne ästhetische Extravaganzen erzählte Film von Sabine Bernardi nach dem Drehbuch von Silke Zertz erzählt dabei kein Sozialmärchen, sondern ist eine ebenso lebendige wie gesellschaftlich relevante Versuchsanordnung, die sich an die Muster und Vorurteile deutscher Wirklichkeit hält. Der Obdachlose bleibt bis zum Ende ein Rätsel: die Biographie voller Löcher, seine Psychologie und sein Absturz ein einziges Fragezeichen. Und das aus gutem Grund. Denn „Auf dünnem Eis“ ist kein Film über Obdachlosigkeit, sondern eher darüber, wie die (Wohlstands-)Gesellschaft mit diesem Phänomen umgeht. Durch die Erzählperspektive kann sich der Zuschauer nicht so leicht aus der Verantwortung stehlen wie in einem herkömmlichen Themenfilm. Denn es ist ein Film über den Blick, die Moral des Einzelnen. Ein Film über Berührungsängste, über das Verdrängen und Weggucken.