
Der nächste von Schirach ist ein zwiespältiges TV-Experiment zum Thema Menschenwürde, Folter und Rechtsstaat: In „Feinde“ wird die Tochter einer wohlhabenden Familie entführt. Der Kommissar foltert den Verdächtigen, um den Aufenthaltsort des Mädchens zu erfahren, und wird später im Prozess gegen den mutmaßlichen Täter vom Verteidiger ins Kreuzverhör vernommen. Die an den Fall des 2002 getöteten Jakob von Metzler angelehnte Handlung ist in „Ferdinand von Schirach – Feinde“ (Degeto / Moovie) Grundlage für eine ungewöhnliche Programmierung: Das Publikum hat die Wahl aus zwei Filmen („Gegen die Zeit“ und „Das Geständnis“), die in umgekehrter Reihenfolge im Ersten, bei One sowie in allen Dritten parallel ausgestrahlt werden. Der eine nimmt die Perspektive des Kommissars, der andere die des Strafverteidigers ein – ohne allerdings den Kern der Geschichte zu verändern. Spannend ist „Feinde“ vor allem als packendes Gerichtsdrama mit einer bemerkenswerten Besetzung (Klaus Maria Brandauer, Bjarne Mädel). Auch taugt es als filmisches Lehrstück, denn hier lässt sich studieren, wie textgleiche Szenen durch eine unterschiedliche Kameraführung und Bildgestaltung in ihrer Emotionalität und Aussagekraft beeinflusst werden. Dennoch erscheint es nicht angemessen, die sogenannte „Rettungs-Folter“ mit dieser Wucht in nahezu sämtlichen ARD-Programmen zu thematisieren. Und gerade weil „Feinde“ auch in der TV-Fassung ein Plädoyer für den Rechtsstaat und die unveräußerlichen Grundrechte sein will, ist es ein Fehler, der Perspektive des Opfers und seiner Angehörigen so wenig Raum zu geben.