
Der posthum erschienene Roman von Siegfried Lenz, „Der Überläufer“, erzählt von den Irrungen und Wirrungen eines deutschen Soldaten in den Jahren 1944/45, die darin gipfeln, dass dieser junge Mann die Wehrmachtsuniform ablegt und zur Roten Armee überläuft. Das utopische Potenzial – die Liebe als letzter Hoffnungsschimmer, die friedliche Vereinigung über nationale Grenzen hinweg, die Erhebung des Individuums über die Ideologie einer Gesellschaft – hat die sehr sehenswerte zweiteilige Verfilmung (NDR, Degeto, SWR / Dreamtool Entertainment) nun noch eine Spur deutlicher ins Zentrum der Geschichte gerückt. „Der Überläufer“ zeichnet den Zweiten Weltkrieg nicht (abbild)realistisch nach; vielmehr finden Bernd Lange und Florian Gallenberger wie schon Lenz für den endzeithaften Schlussakkord dieses Krieges eine Bilder- und Figuren-Landschaft, die von Anfang an den Zuschauer in den Film gleichermaßen hineinzieht wie auf Abstand hält. Kann man im Krieg ein anständiger Mensch bleiben? Gibt es ein richtiges Leben im falschen? Das sind die zeitlosen Fragen, die der Film u.a. aufwirft. Dafür findet er sowohl die richtige Dramaturgie als auch die passende Bildsprache: Der Erzählstil ist ruhig, szenisch und zugleich sehr filmisch. Vor allem aber ist dieser Anti-Kriegsfilm ein großartiger Schauspielerfilm.