(4.12.2024) Es ist so weit. Das neue tittelbach.tv geht an den Start. Es ist eine völlig andere Seite: Content-Management-System, Webdesign, inhaltliche Struktur, die Startseite, die optische Anmutung der Kritiken, die Nutzungs-Optionen für die User – alles neu, alles State of the Art. Das Relaunch musste sein. Der 2009 konzipierte „fernsehfilm-beobachter“ war zwar auf einem durchschnittlichen Rechner formal übersichtlich und handlich, aber eben auch starr, unbeweglich, inhaltlich überfüllt und vor allem IT-technisch völlig veraltet: eine digitale Zeitbombe! Die neue Seite ist reduziert, flexibel und endlich auch ein Genuss für Smartphone- und Tablet-Nutzer. Nach 15 Jahren Old-School-Layout habe ich die neue Form schneller akzeptiert als gedacht. Ihnen/Euch dürfte es ähnlich gehen. Hat man erst mal die fürs eigene Auge angenehmste Seiten-Darstellung (Browser-Einstellung) gefunden, sich mit dem neuen Site-Aufbau vertraut gemacht, wird sich bald ein Gewöhnungseffekt einstellen. Denn die Vorteile überwiegen deutlich.
Der Begriff „Relaunch“ ist eine maßlose Untertreibung
Ein Jahr ging ich schwanger mit dem Projekt. Ein weiteres Jahr benötigte ich, um zu erkennen, dass meine Vorstellung, im vierstelligen Kosten-Bereich bleiben zu wollen, für die Komplexität meines Vorhabens unmöglich war. Also nahm ich mir im Sommer letzten Jahres eine Profi-Agentur. Zeitaufwendig blieb die Sache weiterhin. Denn über 6000 Kritiken und über 20.000 Fotos, jedes einzelne individuell cadriert, mussten noch einmal neu eingelesen werden. Jede Kritik wurde an das neue Layout individuell angepasst. Außerdem habe ich mehr Trailer als bisher eingelesen. Lange Rede: ca. 2400 Arbeitsstunden kostete das Ganze. Und es kostete mich nicht nur Nerven & Lebenszeit.
Die Neuerungen auf einen Blick:
- t.tv erstrahlt im Responsive Design, das heißt, die Seite wird je nach Bildschirmgröße und/oder mobilem Endgerät anders dargestellt, was der Benutzerfreundlichkeit zugutekommt.
- Die Startseite funktioniert wie ein Schaufenster: Der Leser kann mit einem Klick einen Blick werfen auf die Premieren und die Ausnahme-Wiederholungen des Monats – im Fernsehen, in den Mediatheken und bei den
Streamern. Außerdem werden Trends, Köpfe & Informationen in eigener Sache angeteasert. - Ursprünglich eingetragene Genres wie „Krimi“, „Drama“ oder „Komödie“ wurden bei zahlreichen Produktionen um weitere Genres, aber auch um so unterschiedliche Schlagworte wie „Arthaus“, „LGBTQAI+“, „Migration“, „Krankheit“ oder „Weihnachten“ erweitert. Alle Produktionen eines solchen Genres/Schlagworts können mit einem Klick abgerufen werden. Die Begriffe sind in der Sidebar neben den Kritiken gelistet.
- Das Gleiche gilt für alle Produktionsfirmen, alle Produzent*innen (ab 2016) und für alle Kreativen im Bereich Regie und Drehbuch. Mit einem Klick lassen sich beispielsweise alle Filme und Serien einer Produktionsfirma anzeigen, die auf t.tv kritisiert wurden. Einziges Problem: Einige Firmennamen haben sich über die Jahre geändert.
- Die Suche, die mehrfach überarbeitet werden musste, ist für mich das Highlight der neuen Seite. Es lohnt sich, die Möglichkeiten der Such- und Sortieroptionen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht nur für Medienprofis ist diese SUCHE ein Geschenk.
- Es gibt keine Kritiken mehr ohne zumindest ein großes Aufmacher-Foto.
- Mehr denn je gilt der t.tv-Ansatz, Fotos als sinnliche Ergänzung zum Text und zur „Versinnbildlichung“ essenzieller Momente zu verwenden (soweit es das Angebot und die Qualität der Pressefotos erlaubt).
- Die Anzahl der Trailer wurde um ca. 300 Prozent erhöht.
- Viele der alten Kritiken mit sehr spärlichen Credits wurden um zwei, drei Gewerke ergänzt.
- Wegen der zunehmenden Präsenz von Serien-Kritiken auf t.tv fällt der Untertitel „der fernsehfilm-beobachter“ weg.
- Möglicherweise werden einige User den Kalender vermissen… Der Verzicht auf ein solches Programmier-Monstrum hat viele gute Gründe. Dazu mehr an anderer Stelle.
- Das neue Logo betont die journalistische Bandbreite der Seite. Ob Geschmacks-Kritik oder wertende (Funktions-)Analyse – der Zugang zu einer Produktion ist subjektiv. Und obwohl es selten thematisiert wird: Professionelles Filme- und Seriensehen ist immer auch ein emotionales Erlebnis. Das darf auch öfter mal deutlich werden. Dann kann der Kritiker Einblicke in seine persönliche Kommunikation mit dem Film oder der Serie geben.
Diese Neuerungen bieten durchweg mehr Service für die User
Aber nicht nur technische Innovation und inhaltliche Feinjustierung erweitern und erleichtern die Nutzung der Seite. Der Service-Gedanke soll sich auch in den Kritiken selbst widerspiegeln. Prinzipiell gilt: Solides Gebrauchsfernsehen wird relativ knapp, anspruchsvolle TV-Ereignisse oder Produktionen, an denen sich beispielhaft ein Trend analysieren lässt, werden umso ausführlicher besprochen. Die Kritiken von Serien sollen noch weniger als die von 90-Minütern Geschmackskritiken sein. Die Zeitressourcen aller (Zuschauer) sind knapp. Die User sollen erfahren, was sie in den achtmal 25 Minuten, den sechsmal oder gar achtmal 45 Minuten erwartet: eine Fülle an Informationen zur Geschichte, zu Inszenierung und Spiel, zu Dramaturgie und Wirkung (Flow, Spannung, Sog), zu möglichen Themen und Subtexten. Bei nicht herausragenden Serien gehen die Urteile nicht nur der Normalzuschauer, sondern auch die der Kritiker oft weit auseinander. Eine Kritik, die in erster Linie wertet, hat demzufolge einen geringeren Nutzen für den Leser als eine, die auch umfänglich beschreibt. Der User soll eine Vorstellung davon bekommen, ob es sich lohnt, Lebenszeit zu opfern. Zur Service-Funktion kann es auch gehören, Annahmen über die Zielgruppe(n) einer Produktion zu machen – sprich: Ein Kritiker kann gegenüber einer Serie persönlich Vorbehalte haben, sie aber dennoch anderen empfehlen. Und es gibt noch eine Regel: Trifft eine Serie (gilt auch für 90-Minüter) gar nicht auf Gegenliebe, werden wir sie nicht besprechen. So viel Psychohygiene muss sein!
Die Orientierungsfunktion geht über Kritik und Sterne-Wertung hinaus
Auch der neuen Unübersichtlichkeit möchte ich aktiv etwas entgegensetzen. Sich vornehmlich am Fernsehprogramm zu orientieren, ist nicht mehr zeitgemäß. Zwar hält die Mehrzahl der Zuschauer*innen am linearen Fernsehen fest, am 20.15-Uhr-Termin, den bewährten Formaten und persönlichen TV-Ritualen. Die wachsende Verfügbarkeit von Filmen und Serien bietet aber neue Möglichkeiten, die zu entdecken, sich – selbst für den deutschen Fernsehzuschauer, der seine Gewohnheiten liebt – lohnen könnte. Welche das sind, wird tittelbach.tv künftig verstärkt aufzeigen. Die Orientierungsfunktion geht also weit über Kritik und Sterne-Wertung hinaus. Immer wichtiger wird die Frage, wo man welche Produktionen findet. Viele Fernsehzuschauer bzw. Streaming-Nutzer wissen nicht, was sich noch so alles hinter der Mini-Auswahl auf den Startseiten der Mediatheken, Netflix & Co befindet. Möglicherweise haben sie sich geärgert, dass eine öffentlich-rechtliche Serie nicht mehr in der Mediathek zu finden ist, wissen aber nicht, dass einer der Streamer eine Sublizenz erworben hat. Bei ihnen finden sich mehr deutsche Premium-Serien als gedacht. Und wer in den letzten Monaten im Zuge des Wegfalls des Nebenkostenprivilegs zu Magenta gewechselt ist und eines der Streamingpakete erworben hat, dem könnte entgangen sein, dass man mit Magenta+ automatisch auch ARD Plus und ZDF select mitgebucht hat. Wer viele Mittwochs-Fernsehfilme der letzten zehn Jahre in der ARD-Mediathek vermisst, Premium-Dramen, die Fernsehpreise bekommen haben, der wird hier fündig. Und wer sich gern alle 18 „Nachtschicht“- und 30 „Unter Verdacht“-Episoden oder 25 der 37 „Bella Blocks“ anschauen möchte, der kann dies tun über die digitale ZDF-Plattform. Wann & wo es die beste deutsche Fiction gibt, darauf werde ich künftig also verstärkt ein Auge haben.
Mit sinkender Premieren-Quantität & -Qualität wächst das Interesse an TV-Klassikern
Mit den Mediatheken und den Streamern wächst die Bedeutung des Film-und-Serien-Katalogs, das, was man zu Zeiten des linearen Fernsehens lange abschätzig als Wiederholung bezeichnete, ist mittlerweile das Gold jedes Anbieters. Und mit dem Zurückfahren neuer Produktionen wird deren Wert weiter steigen. Und das mit Recht. International sind die goldenen Serien-Jahre längst vorbei. Hierzulande hat das fiktionale Qualitäts-Fernsehen ebenfalls seinen Zenit überschritten: Solide, aber austauschbare Krimi-Reihen dominieren die Premieren, der anspruchsvolle Fernsehfilm, jahrzehntelang die Domäne des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, erlebt in diesem Jahrzehnt seinen Niedergang. Programmplätze wie der verlässliche ARD-„Fernsehfilm am Mittwoch“ wurden dem Serien-Boom geopfert, der – keine Frage – in den letzten Jahren hierzulande Herausragendes hervorgebracht hat. Dennoch ist die Vernachlässigung des Einzelstücks kurzsichtig und wird sich rächen (mehr dazu hier). Wer 90-Minüter der Premium-Klasse sucht, findet davon immer weniger. Die Must-see-Einzelstücke eines Jahres sind an zwei Händen abzuzählen. Und die zahlreichen Fernsehfilm-Highlights der 2010er Jahre werden zudem sehr viel seltener wiederholt als die Krimi-Reihen. Dadurch sind sie auch in den Mediatheken sehr viel weniger präsent. Hinzu kommt, dass sie schwer gefunden werden, weil dort Rubriken wie „preisgekrönt“, „der anspruchsvolle Film“, „heiß diskutiert“ etc. fehlen. Bedient wird allein das, was Quantität verspricht: (Langlauf-)Serien, Reihen, Labels. Der gebildete, intellektuelle Gebührenzahler sitzt bei ARD und ZDF einmal mehr nicht in der ersten Reihe. tittelbach.tv wird in Zukunft mehr denn je versuchen, diese Defizite auszugleichen: Das Qualitäts-TV zu featuren heißt mehr denn je, aufzuzeigen, wo dieses Fernsehen versteckt wird. Rainer Tittelbach