Deutsches Programmkino preiswert über Filmfriend streamen

Foto: Majestic Filmverleih / ARD
Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ war 2021 eine der wenigen Kino-Überraschungen. Maren Eggert bekam den Silbernen Bären auf der Berlinale. Es folgten zahlreiche Filmpreise. 3,56 Millionen Zuschauer sahen die Letterbox-Produktion im Fernsehen.

Wussten Sie schon, dass die Stadtbibliotheken in Deutschland nicht nur eine riesige Auswahl an DVDs und Blu-rays zur Ausleihe anbieten, sondern dass es über das Video-on-Demand-Filmportal Filmfriend auch möglich ist, viele hundert Filme und Serien zu streamen? Und das zu einem extrem günstigen Preis. In Bonn beispielsweise beträgt der Jahresbeitrag für alle Medien, also auch Bücher, Hörbücher, CDs etc., plus Streaming schlappe 30 Euro. Dieser digitale Home-Service ist ein Kontrast-Programm zum Popcorn-Kino und den immer Mainstream-lastigeren Fernsehfiction-Angeboten der Streamer. Internationales Arthouse, Filmklassiker, Autorenfilme, deutsche Filmgeschichte – Vieles, was zum Repertoire von Kommunalen Kinos, Programmkinos oder den öffentlich-rechtlichen dritten Programmen gehörte, kann bei Filmfriend (wieder)entdeckt werden. Zudem laden viele Rubriken dazu ein, nicht wahllos aus dem Vollen zu schöpfen; stattdessen kann sich jeder ein eigenes Film-Festival zusammenstellen. Bei ARD und ZDF gehörten Filmreihen einst zum guten, anspruchsvollen Ton. Heute könnten die Mediatheken diese Aufgabe übernehmen. Doch die sehen aus wie (digitale) Kaufhäuser. Gesetzt wird auf Unterhaltungs- und Suchtfaktor, auf das Featuren von bewährten Marken und Labels; Schauspieler, Filmemacher, thematische, ästhetische oder nationale Schwerpunkte haben im öffentlich-rechtlichen Fiction-Programm, das mit den internationalen Global Playern konkurrieren muss, schon lange keinen Platz mehr; mit Ausnahme von Arte. Man muss den alten TV-Zeiten nicht hinterherweinen. Die Zeiten ändern sich. Jede Generation hat ihre Vorlieben. Die Vielfalt macht es. Alles ist gut, solange es neben Netflix, Prime Video, Disney+ oder den Mediatheken Filmportale wie MUBI, Arthaus+, die Arte-Mediathek oder Filmfriend gibt.

Foto: Arthaus
Ikone der Münchner Swinging Sixties in Rudolf Thomes „Detektive“: Uschi Obermeier. Von wegen: Wenn schöne Frauen schöne Dinge tun. Auch einige Männer der Sixties waren ansehnlich, so Ulli Lommel, der mit seinen Trash-Filmen von sich reden machte.

Filmfriend bietet neben einigen amerikanischen Indie-Perlen aus den 2010er Jahren wie „Beasts of the Southern Wild“, Jarmuschs „Paterson“, „Blue Valentine“, „Take this Waltz“ oder Baumbachs Nouvelle-Vague-Reminiszenz „Frances Ha“ mit Greta Gerwig viel deutsches Qualitätskino an. Es beginnt historisch mit den legendären Kurzfilmen von Karl Valentin. Recht präsent ist der Junge Deutsche Film: Ein Solitär am Rande war der Journalist und Filmemacher Will Tremper, dessen luftige Schwarzweiß-Dramen „Die endlose Nacht“  mit Hannelore Elsner und „Playgirl“ mit Eva Renzi und Harald Leipnitz 1963 und 1966 die traditionelle Filmkritik irritierten. Einige der schrägen Gesellschaftskomödien von Peter Schamoni („Alle Jahre wieder“ mit Fräuleinwunder Sabine Sinjen), Ulrich Schamoni („Quartett im Bett“ mit Insterburg & Co) oder May Spils‘ „Zur Sache, Schätzchen“ mit Uschi Glas zeigen, wie Zeitgeist & Sozialkritik, Nonsens & Beziehungskisten Ende der 1960er Jahren wild zusammengemixt wurden. Im FF-Angebot sind auch drei Roland-Klick-Klassiker, „Deadlock“, „Supermarkt“ und „White Star“. Und das wunderbare Schaffen von Intimitätsfilmer Rudolf Thome wurde zu einer kompletten Retrospektive seiner 30 Kinofilme zusammengefasst: „Rote Sonne“ (1970) mit Uschi Obermaier, „Detektive“ (1968) und „Supergirl“ (1971) mit der blutjungen Iris Berben, „Berlin Chamissoplatz“ (1980), „Tarot“ (1985) mit einer ebenfalls blutjungen Katharina Böhm, „Just Married“ mit Laura Tonke bis hin zu „Pink“ (2009) mit Hannah Herzsprung und „Das rote Zimmer“ (2010) mit Katharina Lorenz und Seyneb Saleh. „Kino heißt, schöne Frauen schöne Dinge tun lassen.“ Das Truffaut-Zitat klingt im feministischen Zeitalter nicht mehr so cool wie vor 50 Jahren. Für Thome gilt es ohnehin nur bedingt. Er war kein FilmFilm-Perfektionist. Ihm waren die Menschen, die Realität, die Beziehungen näher als die Kinematographie. Er war kein Quälgeist auf dem Regiestuhl, hat seine attraktiven Schauspieler*innen machen lassen. Das ist noch heute als Signatur der Thome-Filme erkennbar. Kaum zu glauben, dass seine letzten Filme von der ARD-Degeto unter Süßstoff-Fan Hans-Wolfgang Jurgan mitfinanziert wurden. (Text-Stand: 4.12.2024)

Foto: WDR / Thomas Kost
„Mann, Mann, Mann, Lehmann!“. Frederik Lau, Johannes Klaußner, Robert Gwisdek u.a. in Hermine Huntgeburths „Neue Vahr Süd“ (2010) nach dem Roman von Sven Regener. Ein zeitlos guter Fernsehfilm, der mit vier Grimme-Preisen ausgezeichnet wurde.

Um sich ein vollständigeres Bild des deutschsprachigen Filmfriend-Angebots machen zu können, hier eine Liste der bemerkenswertesten Filme. Zu (fast) allen Produktionen gibt es Kritiken auf tittelbach.tv (sie haben mindestens 4,5 Sterne):

Foto: ZDF / kineo / Yunus Roy Imer
Das angenehm realistisch inszenierte Kinodrama „Systemsprenger“ beschreibt den erschütternden Leidensweg eines neunjährigen Mädchens, das sich bei der kleinsten Provokation in eine schreiende und um sich schlagende Furie verwandeln kann. Der Film war ein großer Erfolg, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, für den Oscar nominiert und hatte bei seiner TV-Premiere über 5 Millionen Zuschauer. Beunruhigend gut: Helena Zengel, die wenig später mit Tom Hanks in den USA drehte.

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