Wussten Sie schon, dass die Stadtbibliotheken in Deutschland nicht nur eine riesige Auswahl an DVDs und Blu-rays zur Ausleihe anbieten, sondern dass es über das Video-on-Demand-Filmportal Filmfriend auch möglich ist, viele hundert Filme und Serien zu streamen? Und das zu einem extrem günstigen Preis. In Bonn beispielsweise beträgt der Jahresbeitrag für alle Medien, also auch Bücher, Hörbücher, CDs etc., plus Streaming schlappe 30 Euro. Dieser digitale Home-Service ist ein Kontrast-Programm zum Popcorn-Kino und den immer Mainstream-lastigeren Fernsehfiction-Angeboten der Streamer. Internationales Arthouse, Filmklassiker, Autorenfilme, deutsche Filmgeschichte – Vieles, was zum Repertoire von Kommunalen Kinos, Programmkinos oder den öffentlich-rechtlichen dritten Programmen gehörte, kann bei Filmfriend (wieder)entdeckt werden. Zudem laden viele Rubriken dazu ein, nicht wahllos aus dem Vollen zu schöpfen; stattdessen kann sich jeder ein eigenes Film-Festival zusammenstellen. Bei ARD und ZDF gehörten Filmreihen einst zum guten, anspruchsvollen Ton. Heute könnten die Mediatheken diese Aufgabe übernehmen. Doch die sehen aus wie (digitale) Kaufhäuser. Gesetzt wird auf Unterhaltungs- und Suchtfaktor, auf das Featuren von bewährten Marken und Labels; Schauspieler, Filmemacher, thematische, ästhetische oder nationale Schwerpunkte haben im öffentlich-rechtlichen Fiction-Programm, das mit den internationalen Global Playern konkurrieren muss, schon lange keinen Platz mehr; mit Ausnahme von Arte. Man muss den alten TV-Zeiten nicht hinterherweinen. Die Zeiten ändern sich. Jede Generation hat ihre Vorlieben. Die Vielfalt macht es. Alles ist gut, solange es neben Netflix, Prime Video, Disney+ oder den Mediatheken Filmportale wie MUBI, Arthaus+, die Arte-Mediathek oder Filmfriend gibt.
Filmfriend bietet neben einigen amerikanischen Indie-Perlen aus den 2010er Jahren wie „Beasts of the Southern Wild“, Jarmuschs „Paterson“, „Blue Valentine“, „Take this Waltz“ oder Baumbachs Nouvelle-Vague-Reminiszenz „Frances Ha“ mit Greta Gerwig viel deutsches Qualitätskino an. Es beginnt historisch mit den legendären Kurzfilmen von Karl Valentin. Recht präsent ist der Junge Deutsche Film: Ein Solitär am Rande war der Journalist und Filmemacher Will Tremper, dessen luftige Schwarzweiß-Dramen „Die endlose Nacht“ mit Hannelore Elsner und „Playgirl“ mit Eva Renzi und Harald Leipnitz 1963 und 1966 die traditionelle Filmkritik irritierten. Einige der schrägen Gesellschaftskomödien von Peter Schamoni („Alle Jahre wieder“ mit Fräuleinwunder Sabine Sinjen), Ulrich Schamoni („Quartett im Bett“ mit Insterburg & Co) oder May Spils‘ „Zur Sache, Schätzchen“ mit Uschi Glas zeigen, wie Zeitgeist & Sozialkritik, Nonsens & Beziehungskisten Ende der 1960er Jahren wild zusammengemixt wurden. Im FF-Angebot sind auch drei Roland-Klick-Klassiker, „Deadlock“, „Supermarkt“ und „White Star“. Und das wunderbare Schaffen von Intimitätsfilmer Rudolf Thome wurde zu einer kompletten Retrospektive seiner 30 Kinofilme zusammengefasst: „Rote Sonne“ (1970) mit Uschi Obermaier, „Detektive“ (1968) und „Supergirl“ (1971) mit der blutjungen Iris Berben, „Berlin Chamissoplatz“ (1980), „Tarot“ (1985) mit einer ebenfalls blutjungen Katharina Böhm, „Just Married“ mit Laura Tonke bis hin zu „Pink“ (2009) mit Hannah Herzsprung und „Das rote Zimmer“ (2010) mit Katharina Lorenz und Seyneb Saleh. „Kino heißt, schöne Frauen schöne Dinge tun lassen.“ Das Truffaut-Zitat klingt im feministischen Zeitalter nicht mehr so cool wie vor 50 Jahren. Für Thome gilt es ohnehin nur bedingt. Er war kein FilmFilm-Perfektionist. Ihm waren die Menschen, die Realität, die Beziehungen näher als die Kinematographie. Er war kein Quälgeist auf dem Regiestuhl, hat seine attraktiven Schauspieler*innen machen lassen. Das ist noch heute als Signatur der Thome-Filme erkennbar. Kaum zu glauben, dass seine letzten Filme von der ARD-Degeto unter Süßstoff-Fan Hans-Wolfgang Jurgan mitfinanziert wurden. (Text-Stand: 4.12.2024)
Um sich ein vollständigeres Bild des deutschsprachigen Filmfriend-Angebots machen zu können, hier eine Liste der bemerkenswertesten Filme. Zu (fast) allen Produktionen gibt es Kritiken auf tittelbach.tv (sie haben mindestens 4,5 Sterne):
- Theresa von Eltz‘ „Vier Könige“ (2015) mit Jella Haase & Paula Beer
- Marcus H. Rosenmüllers „Beste Chance“ (2014) mit Anna Maria Sturm & Rosalie Thomass
- Lars Kraumes „Dunckel“ (1998) mit Florian Lukas, Sebastian Blomberg & Oliver Korittke
- Andi Rogenhagens „Ein Tick anders“ (2011) mit Jasna Fritzi Bauer
- Ziska Riemanns „Electric Girl“ (2019) mit Victoria Schulz
- Thomas Arslans „Ferien“ (2007) mit Karoline Eichhorn & Angela Winkler
- Francis Meletzkys „Frei nach Plan“ (2007) mit Corinna Harfouch, Dagmar Manzel, Christine Schorn
- Marc Brummunds „Freistatt“ (2015) mit Louis Hofmann & Katharina Lorenz
- Dominik Grafs „Die Freunde der Freunde“ (2002) mit Matthias Schweighöfer, Florian Stetter, Sabine Timoteo & Jessica Schwarz
- Nicolas Wackerbarths „Halbschatten“ (2013) mit Anne Ratte-Polle & Emma Bading
- Sonja Heiss‘ „Hedi Schneider steckt fest“ (2015) mit Laura Tonke & Hans Löw
- Bastian Günthers „Houston“ (2013) mit Ulrich Tukur
- Maria Schraders „Ich bin dein Mensch“ (2021) mit Maren Eggert & Dan Stevens
- Thomas Stubers „In den Gängen“ (2018) mit Franz Rogowski & Sandra Hüller
- Leo Khasins „Kaddisch für einen Freund“ (2012) mit Ryszard Ronczewski & Neil Belakhdar
- Ben von Grafensteins „Kasimir und Karoline“ (2011) mit Christina Hecke & Golo Euler
- Wolfgang Murnbergers „Der Knochenmann“ (2009) mit Josef Hader & Birgit Minichmayr
- David Wnendts „Kriegerin“ (2012) mit Alina Levshin & Jella Haase
- Jakob Lass‘ „Love Steaks“ (2014) mit Franz Rogowski & Lana Cooper
- Nico Sommers „Lucky Loser“ (2017) mit Peter Trabner, Annette Frier & Emma Bading
- Joachim A. Langs „Mackie Messer – Der Dreigroschenfilm“ (2018) mit Lars Eidinger, Tobias Moretti & Hannah Herzsprung
- Hossein Pourseifis „Morgen sind wir frei“ (2019) mit Katrin Röver & Reza Brojerdi
- Hermine Huntgeburths „Neue Vahr Süd“ (2010) mit Frederick Lau & Miriam Stein
- Marvin Krens „Rammbock“ (2010) mit Michael Fuith & Emily Cox
- Martin Weinharts „Schiller“ (2005) mit Matthias Schweighöfer
- Marcus H. Rosenmüllers „Sommer in Orange“ (2011) mit Amber Bongard & Petra Schmidt-Schaller
- Norah Fingscheidts „Systemsprenger“ (2019) mit Helena Zengel & Albrecht Schuch
- Jan Schomburgs „Über uns das All“ (2011) mit Sandra Hüller & Georg Friedrich
- Rainer Kaufmanns „Und wer nimmt den Hund?“ (2019) mit Ulrich Tukur & Martina Gedeck
- Friedemann Fromms „Unter der Haut“ (2015) mit Friedrich Mücke & Karoline Schuch
- Jan Schomburgs „Vergiss mein Ich“ (2014) mit Maria Schrader, Johannes Krisch & Ronald Zehrfeld
- Sebastian Schippers „Victoria“ (2015) mit Laia Costa & Frederick Lau
- Wolfgang Fischers „Was du nicht siehst“ (2009) mit Ludwig Trepte, Frederick Lau & Alice Dwyer
- Andres Veiels „Wer, wenn nicht wir“ (2011) mit August Diehl & Lena Lauzemis
- Andreas Dresens „Whisky mit Wodka“ (2009) mit Henry Hübchen & Corinna Harfouch
- Martin Gypkens „Wir“ (2003) mit Knut Berger, Patrick Güldenberg & Brigitte Hobmeier
- Johannes Nabers „Die Zeit der Kannibalen“ (2014) mit Sebastian Blomberg, Katharina Schüttler & Devid Striesow